Ausgangssituation
Seit dem Jahr 2002 gibt es eine EU-Richtlinie, die Eigentümer von Neubauten dazu verpflichtet, einen sogenannten Energieausweis für ihre Immobilie erstellen zu lassen (2002/91/EU). Die Richtlinie zielt darauf ab, die Energiebilanz von Gebäuden durch eine optimale Wärmedämmung zu verbessern. Im Jahr 2010 wurde die EU-Richtlinie vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung) eingeführt, die die vorherige Richtlinie 2002/91/EG ersetzte.
In Deutschland hat die novellierte Energieeinsparverordnung (EnEV 2014), die am 1. Mai 2014 in Kraft trat, die Energieausweis-Pflicht weiter verschärft.
Gesetzliche Regelung in Spanien
Die EU-Richtlinie 2002/91/EU wurde im Jahr 2007 in Spanien umgesetzt (RD 47/2007), was zur Einführung des Energieausweises (certificado de eficiencia energética) führte. Diese Regelung galt jedoch hauptsächlich für neu errichtete Gebäude.
Am 1. Juni 2013 trat in Spanien ein königliches Dekret (RD 235/2013) in Kraft, das die geänderte EU-Richtlinie 2010/31/EU in spanisches Recht umsetzte. Diese neue gesetzliche Regelung umfasste nun auch die Verpflichtung, für Bestandsimmobilien einen Energieausweis zu erlangen, und hatte das erklärte Hauptziel, dass bis zum 31.12.2020 alle neu errichteten Gebäude einen Null-Energieverbrauch aufweisen sollen.
Der Energieausweis muss spätestens dann vorgelegt werden, wenn eine Immobilie zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten wird. Eine Vorlage erst bei Abschluss des Kauf- oder Mietvertrages reicht also nicht aus. Diese Regelung mag nicht vollkommen logisch sein, denn auch ein Eigentümer, der nicht verkaufen oder vermieten möchte, sollte zur Energieeffizienz angeregt werden.
Inhalt des Gesetzes
Das Gesetz hat die Grundidee, vergleichbare Regelungen für Immobilien zu schaffen wie bereits für Kühlschränke und Fernseher, nämlich Energieeffizienzklassen von A bis G einzuführen. Das klingt vernünftig, denn einerseits sollte die Reduzierung des Energieverbrauchs das primäre Ziel sein, andererseits erhalten Verbraucher (und somit Käufer und Mieter) objektive Daten zum Energieverbrauch ihrer Wunsch-Immobilie.
Nur wenige Immobilien sind von der Verpflichtung zur Erlangung des Energieausweises befreit. Zu diesen Ausnahmen gehören historisch geschützte Gebäude, Kirchen und Kathedralen, landwirtschaftliche Gebäude und Wohnungen mit einer Nutzfläche von unter 50 Quadratmetern.
Verfahren
Um den Energieausweis zu erhalten, muss der Eigentümer/Vermieter sein Haus oder seine Wohnung von einem für die Erstellung des Energieausweises zugelassenen Techniker (Architekt oder Ingenieur) auf bestimmte Aspekte untersuchen lassen, wie Isolierung, Belüftung, Ausrichtung, Belüftungssystem, Existenz von Solarheizung, Sonnenschutz, Heizungssystem, Klimaanlage und Beleuchtung.
Das Ergebnis dieser Prüfung bestimmt die Effizienzstufe der Immobilie von A bis G. Der Sachverständige gibt zudem unverbindliche Empfehlungen zur Optimierung des Energieverbrauchs. Die Kosten dafür sind mit etwa 100 € (je nach Größe der Immobilie) überschaubar. Es gibt also keinen Grund, sich dieser gesetzlichen Verpflichtung zu entziehen, da ansonsten wesentlich höhere Bußgelder drohen.
Der Energieausweis gilt als „erlangt“, wenn er in das eigens dafür geschaffene Register der zuständigen Behörde eingetragen ist.
Auf Mallorca erfolgt dies seit dem 28. April 2018 nur online über folgenden Link:
Diese Behörde erstellt auch das Energieetikett mit der entsprechenden Kategorisierung. Das Zertifikat hat eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren.
Zuständigkeit auf den Balearen
Die Umsetzung der gesetzlichen Regelung wurde den einzelnen Regionen (Comunidades Autonomas; CCAA) übertragen, die somit die entsprechenden bürokratischen Voraussetzungen schaffen mussten. Für den Bereich der Balearen liegt die Zuständigkeit bei der Generaldirektion für Industrie und Energie (Dirección General de Industria y Energía).
Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten ist die praktische Umsetzung mittlerweile reibungslos möglich. Die Landesregierung hat auf ihrer Webseite (http://energia.caib.es) alle erforderlichen Informationen zusammengestellt, einschließlich einer Liste aller registrierten Gutachter. Auf dieser Webseite besteht auch die Möglichkeit, auf das öffentliche Register zuzugreifen, damit jeder Bürger überprüfen kann, ob ein bestimmtes Gebäude einen Energieausweis besitzt oder nicht.
Natürlich ist diese neue gesetzliche Regelung ein berechtigter und engagierter Versuch, auch bei Immobilien Energieeinsparungen zu erzielen, was zu begrüßen ist. Dennoch muss festgestellt werden, dass der Kauf einer Immobilie anderen Kriterien unterliegt als der Kauf eines Fernsehers oder eines Kühlschranks. Beim Kauf letzterer können Käufer den Energieverbrauch durchaus als Grundlage für ihre Kaufentscheidung verwenden, weshalb die Hersteller großen Wert auf eine hohe Energieeffizienz legen müssen, da sie ansonsten Preisnachlässe akzeptieren müssten.
Wie viele Gesetze auch erlassen werden mögen, der Kauf einer Immobilie wird nicht primär von deren Energieeffizienz bestimmt. Hier spielen ganz andere Entscheidungskriterien eine Rolle, und ob der alte Maklerspruch „Lage, Lage, Lage“ durch Gesetze verändert werden kann, darf man sicherlich hinterfragen.
Ein weiterer Nachteil der gesetzlichen Regelung besteht darin, dass nur Feststellungen getroffen werden, jedoch keine Mindeststandards für den Energieverbrauch festgelegt werden. Es werden also lediglich Tatsachen festgestellt, ohne konkrete Mindestanforderungen an den Energieverbrauch zu stellen.
Mit freundlicher Unterstützung von Dr. Reichmann.