Als Ende September 2022 die spanische Regierungskoalition ihr Steuerpaket für 2023 vorstellte, überraschte das niemanden, da es den üblichen jährlichen Vorgehensweisen entsprach. Die geplanten Änderungen wurden wie gewohnt in den Entwurf des Staatshaushalts (Presupuestos Generales del Estado) für 2023 aufgenommen und Ende des Jahres 2022 veröffentlicht (Ley 31/2022, de 23 de diciembre, de Presupuestos Generales del Estado para el año 2023 (BOE 24.12.2022)). Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehörten auch Änderungen bei der Körperschaftssteuer (IS) und der Einkommensteuer (IRPF).
Im besagten Gesetzespaket vom September 2022 befand sich auch die sogenannte “Reichensteuer”, die jedoch noch von der Legislative (Parlament und Senat) durchlaufen werden musste. Das parlamentarische Verfahren verlief überraschend schnell: Das Parlament verabschiedete das Gesetz am 24.11. mit 186 zu 152 Stimmen, gefolgt vom Senat am 21.12. mit 139 zu 106 Stimmen. Da alle Änderungsanträge abgelehnt wurden, war eine Rücküberweisung an das Parlament nicht erforderlich. Das Gesetz wurde am 27.12. veröffentlicht und trat am 28.12.2022 in Kraft (Ley 38/2022, de 27 de diciembre, para el establecimiento de gravámenes temporales energético y de entidades de crédito y establecimientos financieros de crédito y por la que se crea el impuesto temporal de solidaridad de las grandes fortunas; im Folgenden “Ley 38/2022”). Im selben Gesetz wurde auch eine wichtige Änderung bei der Vermögenssteuer vorgenommen.
Nun zur Reichensteuer:
Es handelt sich um ein Staatsgesetz, wodurch der spanische Zentralstaat diese Steuer erheben wird. Dieser Punkt sorgt für Kritik seitens der verschiedenen Regionen (Comunidades Autónomas; CCAA), da die bestehende Vermögenssteuer (Impuesto sobre el Patrimonio; IP) den Regionen zusteht. Es bleibt fraglich, ob dies einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten wird, da IP und die neue Reichensteuer das gleiche Vermögen besteuern. Es besteht also eine klare Überschneidung.
Offensichtlich nimmt der spanische Zentralstaat mit dieser neuen Steuer das nachlässige Verhalten der CCAA in Bezug auf die Vermögensbesteuerung ins Visier. Obwohl die Festsetzung und Erhebung der IP den CCAA obliegen, haben diese in einen ungesunden Wettbewerb eingetreten und sich gegenseitig mit Sonderregelungen, Begünstigungen oder sogar der Abschaffung der Steuer unterboten. Insbesondere Madrid sticht dabei heraus, wo überhaupt keine Vermögenssteuer erhoben wird. Ab 2023 wird sich Andalusien diesem Beispiel anschließen, und Galicien plant, den bestehenden “Rabatt” von 25 % auf 50 % zu erhöhen.
Um nicht direkt mit der IP zu konkurrieren oder gar in Widerspruch zu ihr zu geraten, sieht das Gesetz zur Reichensteuer vor, dass die Vermögenssteuer und alle damit verbundenen Verpflichtungen unberührt bleiben. Aus Sicht der CCAA ändert sich also nichts. Stattdessen wird vorgesehen, dass die zu zahlende Vermögenssteuer (die in der jeweiligen CCAA verbleibt) von der Steuerschuld der Reichensteuer abgezogen werden kann. Das Motto lautet: “Wenn eine CCAA auf eine Besteuerung des Vermögens verzichtet, ist das in Ordnung, aber der Zentralstaat holt sich dann eben sein Geld”.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Freibetrag bei der Reichensteuer bei 3 Mio. Euro liegt, während es bei der IP “nur” 700.000 Euro sind.
Vermögen zwischen 3 Mio. Euro und 5,34 Mio. Euro sollen mit 1,7 % besteuert werden, zwischen 5,34 Mio. Euro und 10,69 Mio. Euro mit 2,1 % und alles über 10,69 Mio. Euro mit 3,5 %. Die Steuer betrifft insgesamt nur 0,2 % aller Steuerzahler, laut dem Finanzministerium liegen nur 3.700 Steuerzahler in der höchsten Kategorie mit einem Vermögen über 10,69 Mio. Euro und einer Steuer von 3,5 %. Die Steuer ist vorläufig (“temporal”), was jedoch wenig bedeutet, wenn man bedenkt, dass die Vermögenssteuer bereits seit Jahren als “außerordentliche” Steuer (impuesto extraordinario) bezeichnet wird.
- Besonders ärgerlich: Ursprünglich war geplant, dass das Gesetz erst im Jahr 2023 und 2024 in Kraft tritt, sodass ausreichend Zeit für erforderliche Anpassungen bleiben würde. Durch das schnelle Gesetzgebungsverfahren trat das Gesetz jedoch bereits im Jahr 2022 in Kraft. Dies bedeutet, dass das zum 31.12.2022 vorhandene Vermögen besteuert wird und die resultierende Steuer am 30.6.2023 zu zahlen ist. Wie sollten deutsche Nicht-Residenten mit dieser neuen Regelung umgehen?
Die erste naheliegende Frage ist, ob sich die bestehende Steuerlast durch die Reichensteuer erhöht. Überraschenderweise bleibt die Antwort auf den Balearen unverändert: Es ändert sich nichts! Am Ende dieses Beitrags finden Sie eine Grafik, die die Auswirkungen der Reichensteuer in den verschiedenen CCAA darstellt. Sie zeigt die konkreten Auswirkungen auf Vermögen von 5 Mio. Euro, 15 Mio. Euro und 40 Mio. Euro nach Einführung der Reichensteuer. Unter “patrimonio a pagar” finden Sie die bisherige und weiterhin zu zahlende IP an die jeweilige CCAA und unter “nuevo impuesto” die neue Reichensteuer. Nehmen wir ein Extrembeispiel mit einem hohen Vermögen, bei dem die Reichensteuer Auswirkungen haben würde:
Bei einem Vermögen von 15 Mio. Euro beträgt die bisherige IP auf den Balearen 375.790 Euro, während die staatliche Reichensteuer berechnet 278.364 Euro beträgt. Daher müssen keine zusätzlichen Steuern gezahlt werden, da dieser Betrag geringer ist als die IP.
In den großzügigeren CCAA sieht die Situation anders aus: Personen mit einem derart hohen Vermögen, die in Andalusien, Asturien, Kantabrien, Katalonien, Galicien, Madrid oder Murcia ansässig sind, zahlen sehr wohl die Reichensteuer. Die großzügigen CCAA haben erkannt, dass sie durch die bisherige steuerfreundliche Handhabung der Vermögenssteuer Einnahmen verlieren.
Daher hat beispielsweise Katalonien am 21.12.2022 rückwirkend zum 01.01.2022 die Vermögenssteuer erhöht, sodass keine Reichensteuer an die Zentralregierung in Madrid gezahlt wird.
Änderung bei der Vermögenssteuer und Auswirkungen auf deutsche Nicht-Residenten
Eine gravierende Änderung im Steuerrecht ist die Einführung der Reichensteuer durch das Gesetz Ley 38/2022. Doch es gibt eine weitere wichtige Regelung, die vor allem deutsche Nicht-Residenten betreffen kann. Am 10.11.2022 wurden Änderungsanträge zur Änderung von Art. 5 b des Gesetzes zur Vermögenssteuer (Ley 19/1991, de 6 de junio, del Impuesto sobre el Patrimonio) eingebracht. Diese Anträge haben nichts mit der Reichensteuer zu tun, sondern beziehen sich vielmehr auf eine Änderung im internen spanischen Steuerrecht. Was steckt dahinter?
Bisher unterlagen deutsche Gesellschafter, die in Spanien Immobilienbesitz haben, nicht der Vermögenssteuer. Dies führte zu einer kuriosen Situation, da nach Art. 21 IV des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Spanien eine Besteuerung durch den spanischen Staat möglich wäre, dies jedoch bisher nicht in der nationalen spanischen Steuergesetzgebung vorgesehen war. Selbst in einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der Balearen vom
3. Dezember 2020 wurde klargestellt, dass eine Besteuerung von Nicht-Residenten für den Besitz von Anteilen an einer deutschen Gesellschaft, deren Vermögen zu mindestens 50 % aus spanischen Immobilien besteht, nur dann zulässig wäre, wenn dies durch das nationale spanische Steuerrecht vorgesehen ist.
Diese Diskrepanz wird nun behoben, sodass die im DBA mit Spanien festgelegte Möglichkeit zur Besteuerung nun auch durch nationales spanisches Recht gedeckt ist. Daher kann es erforderlich sein, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Leider sind die Formulierungen in den DBA oft recht komplex. Hier ist der Text von Art. 21 IV DBA Spanien in einer verständlicheren Formulierung:
Art. 21 IV DBA Spanien:
(4) Anteile an einer (deutschen) Gesellschaft können in Spanien besteuert werden, wenn ihr Aktivvermögen zu mindestens 50 % unmittelbar oder mittelbar aus einer in Spanien belegenen Immobilie besteht, oder aber sie ihrem Eigentümer unmittelbar oder mittelbar Nutzungsrechte an einer in Spanien belegenen Immobilie gewähren.
Es müssen also ZWEI Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen die bereits bekannte Anforderung, dass das Vermögen der deutschen Gesellschaft mindestens gleichwertig mit dem spanischen Immobilienbesitz sein muss. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, dass die Anteile keine Nutzungsrechte an der Immobilie beinhalten.
Besteht überhaupt noch Hoffnung, dass die Umsetzung des Gesetzes verhindert werden kann? Derzeit prüft das Verfassungsgericht, ob eine unzulässige rückwirkende Anwendung oder eine unvorhersehbare Belastung für den Steuerpflichtigen vorliegt. Es wäre jedoch fahrlässig, darauf zu vertrauen oder die Zahlung zu verweigern.
Die Regierung steht weiterhin zu dem Gesetz, da erwartete Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro bereits im Haushalt für 2023 eingeplant sind. Das Finanzamt hat bereits die erforderlichen Steuerformulare für die Reichensteuer veröffentlicht: Modelos 795, 796, 797 und 798.
Mit freundlicher Unterstützung von Dr. Reichmann.